Donnerstag, 4. März 2010


Am 4.3.2010 erinnert mich die Leipziger Volkszeitung mit meiner wörtlichen Rede „Sprich frei oder verschwinde“ an mein ehemaliges Leben während der ddR. Vor genau 20 Jahren, am 3. März 1990, hatte ich mit diesem Satz während eines von der Hans-Böckler-Stiftung Düsseldorf organisierten Betriebsrätekongresses in Markkleeberg unbeabsichtigt einen kleinen Tumult „angezettelt“ und durch die Ergänzung „Stottern ist besser als Ablesen … Wir müssen hier alle die freie Rede erst noch erlernen“ voll in Aktion gebracht. Ich erinnere mich, wie damals im Saal des Forsthauses Raschwitz ehemalige FDGB-Funktionäre am Pult schriftlich vorbereitete Beiträge ablesen wollten. Sie kämpften während ihrer eigenen Wende mit dem Argument „überflüssig“ noch verbissen gegen die Betriebräte.
Am 1. März 1990 hat die Leipziger SPD, die ich als SDP in Leipzig im November 1989 mit aufgebaut hatte, zu einer Bürgerdiskussion über Betriebsräte und Gewerkschaften in den Speiseraum des VEB Geophysik eingeladen. Bereits am 7.1.1990 konnte ich in der Leipziger DAZ im Artikel „Zum Verhältnis von Betriebsräten und Gewerkschaften“ deren dringende Notwendigkeit erklären. Die Leipziger Andere Zeitung war die erste unabhängige Wochenzeitung der DDR, die von Januar 1990 bis April 1991 erschien. Die Leipziger Volkszeitung konnte ich erst etwas später für dieses Thema gewinnen. Am 22.1.1990 erschien von mir ein Artikel unter der Überschrift „Bürgerkomitee Leipzig fordert Betriebsräte“ und am 1.3.1990 der ausführliche Beitrag „Was sollen, was können Betriebsräte?“.
Zur damaligen Zeit war noch immer unser Kampfziel die endgültige Zerschlagung der innerbetrieblichen Dreieinigkeit „SED-Betriebsleitung, SED-Parteileitung, SED-Gewerkschaftsleitung“. Noch vor der unmittelbar bevorstehenden, fundamentalen Besitzstandsänderung von VEB in GmbH und AG sollten die Betriebsbelegschaften wichtige Mitspracheorgane erhalten. In Leipzig entstanden nach meiner Erinnerung die ersten Betriebsräte im Kraftverkehr, in einem Reichsbahnwerk und bei Elguwa in Plagwitz. Zur Beschleunigung von Betriebsratsgründungen arbeiteten zur damaligen Zeit in Leipzig im Haus der Demokratie ein Büro des Neuen Forums unter Leitung von Siegfried Kapala und „mein Revolutionsbüro“ im Rahmen des Leipziger Bürgerkomitees in der Braustraße 17, unmittelbar neben dem Geburtshaus von Karl Liebknecht.
Wir waren nicht nur in Leipzig aktiv. In der DDR gab es drei große Glühlampenwerke; in Berlin, Plauen und Oberweißbach. Als ich im März 1990 in meinem Thüringer Heimatort Oberweißbach NARVA-Betriebsangehörige von der Notwendigkeit einer Betriebsratsgründung überzeugen wollte, wurde mir mitgeteilt, dass bereits zwei „kompetente Bayern“ im Betrieb waren, die über die „unbedeutenden Befugnisse von Betriebsräten“ gesprochen hätten. Meine Frage, ob dies zwei Kuhhirten oder zwei Siemensarbeiter waren, konnte nicht beantwortet werden. Und im Übrigen sähe man bezüglich der bevorstehenden Umstrukturierung des Betriebes nicht so schwarz wie ich, „Glühlampen werden doch schließlich immer gebraucht“. Selbst mein Hinweis auf die Herstellungskosten blieb ohne Wirkung. Ein Jahr später waren die Arbeitsplätze verschwunden. Ich selbst musste damals vor der gesellschaftspolitischen Dummheit aus dem Thüringer Wald zurück in die „Revolutionsstadt Leipzig“ flüchten!



Das Plakat „Bildet Betriebräte“ wurde auch in Dresden verwendet und sogar in Rostock wieder gesichtet. Es war im Januar von mir entworfen und von einem Stasi-IM mit guten Beziehungen zu einer NVA-Druckerei in großer Stückzahl hergestellt worden. Der IM wurde im Februar, unmittelbar nach seiner Enttarnung, aus dem Leipziger Bürgerkomitee abgewählt.
Auch über diese Arbeit im Leipziger Bürgerkomitee wird umfangreich berichtet in meinem Buch „Humoresken aus der DDR“, www.osirisdruck.de. Das Buch liegt auf dem Büchertisch im Leipziger Stasi-Museum in der „Runden Ecke“. Zur kommerzfreien Verteilung an Schülersprecher in Schulen und in Bibliotheken suche ich zwecks Druckkostenübernahme (von ca. 400,- €) einen Sponsor, der sich unter www.osirisdruck.de einloggen sollte oder mich anmailt unter schallmey-verlegung@web.de